Die gefallenen Wunderkinder im Depot: Dell

Es gibt in jeder Epoche Wunderkinder. Am Aktienmarkt sind das Aktien, deren Wert sich verhundertfacht. Man könnte meinen, dass es in einem Aktienindex genauso viele Verlierer wie Gewinner geben muss. Aber das stimmt nicht. Die Gewinner und Verlierer sind nicht normalverteilt. Es gibt meistens einige Aktien, die sehr viel mehr Gewinne einfahren als alle anderen.

In den 1990er Jahren war das die Firma Dell. Ich bin über Dell gerade nochmal in der Einleitung zur 2000er Ausgabe von Peter Lynch´ s Buch „One up Wall Street“ gestolpert. Er listet dort die 20 Superstocks der 1990er auf.  Platz 1 der Liste: Dell. 10.000 USD, die man 1989 in Dell Aktien investiert hatte, wären 10 Jahre später 8.9 Millionen wert gewesen. Aber wir wissen auch alle, wie Technologie-Aktien 1999 performten – und was dann im Frühjahr 2000 folgte. Trotzdem hätte man mit Dell bis 2005 einen schönen Gewinn mitnehmen können.

Hätte. Denn meine eigene Geschichte mit Dell sah anders aus. Von der vorherigen Performance wußte ich nichts, als ich die Aktie 2008 kaufte. Ebenso wenig war mir der Begriff Diversifizierung bekannt. 2008 waren mir ETF ebenso unbekannt. Ich interessierte mich für Computer, glaubte mich mit Computern auszukennen und wählte daher eine weitere Computerfirma für mein Portfolio aus. Dell kannte ich, obwohl ich selbst gerade auf Mac umgestiegen war. Die konnten doch was. Und waren seit Ewigkeiten am Start. Also los: Kaufen! 115 Stück für 14,85 Eur das Stück.

Und dann hielt ich dem Buy & Hold Ansatz Treue. 5 Jahre lang. Ich hatte damals lange Phasen, in denen ich mich überhaupt nicht für Börsenkurse interessierte. Was an sich nicht schlecht ist.

Im Fall von Dell war das aber anders. Die Firma geriet in Schieflage. Die Marktsättigung von Heim-PCs war längst erreicht. Und 2007 kam das iPhone raus, 2010 das iPad. Die Leute wollten keine klobigen Kisten mehr zu Hause haben. Die Technik wurde so klein, dass sie in ein Handy passte. Und damit konnte Dell nicht mithalten. Denn deren Idee war weiterhin: wir schrauben Computer zusammen. Im Endeffekt war Dell eine Heimbastler-Bude mit überdimensionierter Vertriebsabteilung. Oder ein Growth-Unternehmen, dem der Markt in seiner Nische wegbrach. Heim PC’s mit Windows waren die Produkte der 1990er Jahre, die in den 2000er Jahren langsam obsolet wurden.

Nur waren die Probleme bei Dell zum Großteil selbstverschuldet: ab 2003 gab es Querelen um defekte Bauteile in großem Stil, 2006 war dann nichts mehr mit Wachstum und die Firma schlingerte weiter. Dazu war der charismatische Gründer Michael Dell zwischen 2004 und 2007 als CEO zurückgetreten. Hü oder Hott – das wußte man auch nicht so genau bei Dell.

Und das hätte mir schon früher auffallen können. Und der Kurs dümpelte vor sich her. Das alles entging meiner Aufmerksamkeit. Denn ich war vom großen Markennamen geblendet. Die Investition musste einfach gut gehen!

Es sollte für die Aktionäre nicht gut gehen. Michael Dell kaufte 2013 sein Unternehmen zurück. Die Aktie wurde an der Börse delistet. Zum Stichtag wurde die Aktie automatisch aus meinem Depot verkauft und mir der Betrag gutgeschrieben. Am 30.10.2013 wurden meine 115 Stück für 1151,17 Eur verkauft. Warum wurden keine Steuern abgezogen? Man kann sich denken warum: 564 Euro Miese gegenüber dem Einstandskurs. Oder -32,60%. Und das bei 5 Jahren Haltedauer. Das ist ganz schön mies. Dividenden hatte das Unternehmen nicht gezahlt. Ein schwacher Trost bleibt: Es hätte aber noch übler kommen können. Die Höchststände lagen mal bei 65 USD.

Lektion gelernt: Unternehmerischer Erfolg in der Vergangenheit ist keine Garantie für Erfolg in der Zukunft.

Wäre ein ETF die bessere Alternative gewesen? Jein. Ich hätte aber auch mit einem ETF auf den S&P 500 im Zeitraum 2008 bis 2013 minus gemacht. Mitte 2008 war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um Aktien zu kaufen. Nur konnte das damals niemand wissen. Erst im Nachhinein kennt man die Geschichte, die folgte. Der S&P500 stürzte in den folgenden Monaten im Zuge der Immobilienkrise in den USA ab. Jahresbilanz -37%. Und brauchte anschließend sehr lange für eine Erholung. Erst Mitte 2013 war das Kursniveau von 2008 wieder überschritten. Ich empfehle kurz mal auf diesen Chart zu gucken, der exemplarisch für den Dow Jones seit 1896 alle Krisenjahre auflistet. http://www.marketwatch.com/story/the-dows-tumultuous-120-year-history-in-one-chart-2017-03-23
6 Jahre dauerte die Überwindung der Krise von 2008 bis die Kurse endlich wieder höher als 2008 lagen.

Trotzdem wäre ich als langfristiger Investor mit einem ETF besser gefahren als mit der Einzelaktie Dell. Der ETF hätte einfach weiter auf Autopilot laufen können und hätte mir bis heute einen traumhaften Gewinn beschert.

Aber das wußte ich nicht. Damals kaufte ich ziemlich naiv Aktien. Gänzlich ohne Recherche. Ohne Zusammenhänge zu verstehen. Ich weiß nicht, ob es damals schon Finanzportale gegeben hat. Vermutlich ja. Aber diese Information wäre genauso nutzlos gewesen wie sie es heute ist. Als Börsenanfänger sieht man überall nur blinkende Lichter der Werbeeinblendungen „Diese 5 Aktien unbedingt kaufen“, „der Euro crasht“. Und so weiter. Bücher zum Investieren hatte ich damals noch nicht gelesen.

Ich hatte damals keinen Plan. Im doppelten Sinn des Wortes. 🙂 Vor allem aber ist „Plan“ als Arbeitsprozess gemeint, nicht nur meine eigene Naivität. Dass es mit Dell krachte, kann man mit James Montiers Ergebnis-Matrix „poetic justice“ nennen. Ich übersetze das englische Wort „process“ hier frei mit Plan. Schlechter Plan, schlechtes Ergebnis. Gesetzt den Fall, es hätte nicht gescheppert, wäre das „dumb luck“ gewesen. Schlechter Plan, gutes Ergebnis.

Ich hatte keinerlei Prinzipien. Und das würde ich heute anders machen. Nachzuvollziehen ist meine damalige Entscheidung nicht. Denn ich führte damals kein Tagebuch über Aktienkäufe. Die vielleicht allerwichtigste Lektion, die ich gelernt habe: alle Entscheidungen und Gedankengänge zum Kauf zu dokumentieren. Anders lässt sich nicht nachvollziehen, was die Entscheidung auslöste. Und insbesondere Angst, Zweifel, Übermaß oder Gier kann man an eigenen Begründungen auch Jahre später noch wunderbar ablesen.

So schlecht meine heutigen Entscheidungen im Nachhinein aussehen werden: ich habe wenigstens einen Plan. Und damit kann ich im Nachhinein meinen Entscheidungsprozess verbessern. Ich verbringe Zeit damit zu entscheiden, ob eine bestimmte Summe in Aktien investiert werden sollte oder nicht. Ich recherchiere zu Unternehmen.

Verlass dich nicht darauf, einfach nur Glück zu haben. Es ist egal ob dein Plan Risikomanagement, Technische Analyse, Value Investing oder Quant-Bewertungen beinhaltet. Hauptsache du stellst im Vorfeld einen Plan auf. Denn man kann nur an den Stellschrauben drehen, über die man die Kontrolle hat. Und das ist nur die Entscheidung Kauf, Halten oder Nicht-Kaufen. Denn was der Markt macht liegt außerhalb der eigenen Gewalt.

Um nochmal auf den eingangs erwähnten Peter Lynch zurückzukommen. Er hat eine Erklärung, worum es im Kern geht:

„The basic story remains simple and never-ending. Stocks aren’t lottery tickets. There’s a company attached to every share. Companies do better or they do worse. If a company does worse than before, its stock will fall. If a company does better, its stock will rise.“

Ob es einfach ist die Firmen zu finden, die besser als andere abschneiden – darüber kann man streiten. Mach dir einen Spaß und lies dir alte Forenbeiträge durch. Was etwa 2009 über Amazon geschrieben wurde. Damals sah es nämlich überhaupt nicht so aus, als würde Amazon der Überflieger in 5 Jahren sein.

Ich selbst bin skeptisch, was meine Fähigkeiten angeht die Wunderkinder von morgen zu erkennen. Und vermutlich bewahrt mich diese Skepsis davor ziemlich viele Dummheiten an der Börse zu begehen. Vor allem investiere ich heute den Großteil meines Geldes passiv in ETF. Schon aus der Erkenntnis heraus, dass sich die vermeintlich gute Idee von gestern als Stinkstiefel im Depot entpuppen kann.

Aber auch das gehört dazu. Lehrgeld zu zahlen ist beim Investieren in Einzelaktien unerlässlich. Ohne schmerzhafte Fehler lernt man nichts. Es geht darum die eigenen Fehler finanziell zu überleben. Ich habe mit Leuten gesprochen, die nie mehr irgendwas von Aktien hören wollen aufgrund ihrer fünfstelligen Verluste vor einigen Jahren.

Für hat sich ohne Dell alles ganz gut entwickelt. Dell war die zweite Aktie, die ich 2008 gekauft habe. Die erste war Apple. 

Was waren deine „worst case“ Erfahrungen mit Aktien? Oder hast du Aktien links liegen gelassen und nur in ETF investiert?

6 Kommentare zu „Die gefallenen Wunderkinder im Depot: Dell

  1. Man muss auf die Nase fallen, um mit Demut und Plan den Börsenmarkt zu begegnen. Meine größten Fehler befinden sich immer noch in meinem Depot, als mahnendes Beispiel. Walter Bau zeigt aktuell -80%, BETONUSA stolze -99,96% Börsenunwissenheit.

    Gestern gab es eine schöne gedankliche Illustration im Stockstreet Newsletter: „Was Ihr Kleiderschrank mit der Korrektur zu tun hat“. Ein Kleiderschrank wird ein- bis zwei Mal im Jahr durchforstet und ausgemistet. Aber was legen wir dabei zur Seite? Die guten Stücke oder die, die wir nicht mehr tragen möchten und womit wir uns nicht mehr wohl fühlen?

    So sollte man es auch mit seinem Depot handhaben. Den Vergleich finde ich wirklich klasse, den oft wirft man nur einen Blick auf die Renner und hofft, dass die Roten sich schon irgendwie wieder fangen werden. Seine ursprünglichen Gedanken und Strategien, hat man da bereits längst über Bord geworfen. Deshalb unterschreibe ich die Wichtigkeit, diese zu notieren und auf Abruf bereit zu halten.

    Mit etwas mehr Erfahrung greift man dann in den Abwärtstrend einer Aktie ein und reduziert so seine Verluste. Aber auch das, muss man erst einmal lernen.

    Alles nicht so einfach 😉

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    1. Danke für den Vergleich, der illustriert es ziemlich gut. Insgeheim fiebert man doch für „Team Red“ und möchte den Verlust nicht realisieren. Mir hilft es jede Aktie in ein Portfolio für Investition und Spekulation einzusortieren. Bei ersteren Werten ist mir ein temporärer Verlust, auch wenn er über mehrere Jahre gehen sollte, eher egal (unter der Annahme, dass sich der Wert wieder erholt). Bei letzterem nicht. Danke auch nochmal für den Hinweis auf die Positionsgrößenstrategie! 🙂

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      1. So mache ich es auch: Investition und Spekulation.

        Womit stützt Du Deine Annahme der Erholung denn? Dein Beispiel Dell zeigt ja eigentlich, dass Veränderung sich langfristig negativ festigen können. RWE, EON, Deutsche Bank oder die ÖL-Multies wären weitere Kandidaten, die einst „sicher“ waren.

        Wenn man Positionsgröße und Charttechnik dabei locker anwendet, hätten sich frühzeitige Ausstiege angeboten, die die Verluste begrenzen. Man kann die Position ja dann auf das Minimum fahren und später günstiger wieder einsteigen, bzw. kurzfristige Aufwärtstrends mitnehmen, wenn man weiterhin von der Aktie überzeugt bleibt. Aber langfristige Trends sind schwer zu kompensieren, finde ich.

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      2. Lubo, mach mir keine Angst! 😉 Das hieße ja, dass man sich heute auf nichts mehr verlassen kann. Generell: schwieriges Thema. Ich habe keine Antwort, die alle Fälle abdeckt. Denn für stures Buy&Hold spricht, dass Ausstieg/Einstieg durch Gebühren und vor allem durch Steuern Kosten verursacht. Und ich bei einem größeren Portfolio auch nicht ständig alle Positionen im Auge behalten möchte. Ich bin froh die im Artikel erwähnte Apple-Aktie einfach gehalten zu haben.

        Allerdings hast du leider recht mit dem Hinweis. Es gibt heute keine ewigen Firmen mehr. Und ich könnte mir jede einzelne Aktie in meinem Depot ansehen und feststellen, dass dort irgendwo schon die nächste Disruption im Geschäftsfeld lauert.

        Nur halte ich gegen diese bärische Einschätzung dagegen: die meisten Firmen haben gelernt mit Krisen umzugehen. Beispiel Deutsche Bank. Die Situation sah letzten Sommer mies aus, aber wo wird der Kurs 2025 stehen? Mit Deutsche Bank habe ich übrigens die größte Rendite meines Portfolios eingefahren, da ich letzten Sommer eingestiegen bin, als alle „Untergang!“ riefen, als Spekulation.

        Wenn ich ehrlich bin ist die einzige Investition mit potentiellem Ewigkeitswert für mich ein ETF auf den MSCI World. Damit umgehe ich zumindest die Schmerzen auf einer schlecht performenden Einzelaktie zu sitzen, während der Markt als Ganzes hoch geht. Und ich kann auch ohne Sicherungsseil das Ding laufen lassen. Bei allen Einzelaktien bleibt immer das Risiko. Und auch Apple könnte Dell von 2025 sein.

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      3. Als Spekulation taugt die Dt Bank auch noch etwas. Da hatte ich letztes Jahr auch meine Finger drin und Gewinn eingesackt. Wenn Du Dir den langfristigen Chart allerdings anschaust, zeigt der Trend klar nach unten. Wenn man sich dann noch mit dem Unternehmen beschäftigt, das zahlreiche Rechtsstreitigkeiten am Hals und das Privatkundengeschäft lange Zeit arrogant behandelt hat, dann wird die neuste Kapitalerhöhung wahrscheinlich wie die Letzte versenkt: in Gerichtskosten und Boni-Zahlungen. Zukunft ungewiss, auch dank Niedrigzinsen. Wer hier seit Jahren buy&hold gefahren ist, wird seinem Geld hinterher laufen müssen. Die Strategie sollte deshalb eher: „buy & hold & check ab und zu mal“ sein. Tiefer einsteigen kann man dann immer noch, wenn der Trend gedreht hat und langfristig aufwärts tendiert.

        Zugegeben, das Ganze wird dann irgendwann anstrengend und man muss für sich persönlich festlegen, wie viel Zeit und Lust man hat, sich mit der Materie auseinandersetzen zu wollen. Aber einmal im Quartal, zwei Mal im Jahr oder auch nur einmal, reicht schon aus, um Tendenzen fest stellen zu können.

        Bei mir schwankt es auch oft, zwischen „ich rock das jetzt“ zu „alles verkaufen, leckt mich doch“ und wieder zurück. Die Börse ist ein weites Feld, mit unzähligen Abhandlungen. Ein persönlicher Weg muss da erst einmal gefunden werden und im Grunde kann man es schon darauf herunter brechen und sagen: ETF auf MSCI World und gut. So mache ich es bei der Geldanlage für meine Kids auch. Monatlicher Sparplan und fertig. Aber die sind 4+1 und haben noch zig Jahre Zeit.

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